Mittwoch, 1. Februar 2012

Die größten Dichter des Jahrhunderts


Hast du dich jemals bei der Lektüre der geologischen Werke von Cuvier in die Unendlichkeit von Raum und Zeit geschwungen? Hast du, getragen von seinem Genie, wie von der Hand eines Zauberers, über dem grenzenlosen Abgrund der Vergangenheit geschwebt? 

Wenn wir die Erde Scholle für Scholle und Schicht für Schicht abtragen und unter den Steinbrüchen des Montmartre oder in den Schiefergebirgen des Ural die fossilen Reste von Tieren entdecken, die vorsintflutlichen Zivilisationen angehören, wie muß die Seele da erschrecken, wenn sie sich vorstellt, daß Milliarden Jahre vergangen sind, Millionen Völker gelebt haben, die von dem schwachen menschlichen Gedächtnis und der starren religiösen Tradition vergessen worden sind und deren Asche die Oberfläche unseres Erdballs bildet, die zwei Fuß Boden, woraus uns Brot und Blumen wachsen? Ist nicht Cuvier der größte Dichter unseres Jahrhunderts? Lord Byron hat wohl ein paar seelische Erschütterungen vortrefflich in Worte gebannt; aber unser unsterblicher Forscher hat aus gebleichten Knochen Welten wiedererstehen lassen, hat, wie Kadmos, mit Zähnen Städte neu erbaut, hat mit einigen Brocken Kohle tausend Wälder mit allen Geheimnissen der Tierwelt wieder lebendig werden lassen, hat am Fuß eines Mammuts erkannt, daß Völker von Riesen gelebt haben. 

Diese Gestalten ragen auf, wachsen und füllen Regionen, die ihrer kolossalen Größe entsprechen. Er ist Dichter mit Zahlen, er ist erhaben, wenn er eine Null neben eine Sieben setzt.  Er erweckt das Nichts, ohne magische Worte zu drechseln. 



Georges Léopold Chrétien Frédéric Dagobert, Baron de Cuvier, Begründer der Paläontologie, Pair von Frankreich


geboren am 23. August 1769 in Mömpelgard, gestorben am 13. Mai 1832 in Paris. Mit 12 legt er, nachdem er das Gesamtwerk von Georges-Louis Leclerc de Buffon gelesen und verstanden hat, seine erste naturkundliche Sammlung an,  studiert in Stuttgart Verwaltungsrecht und Ökonomie und lernt bei Carl Friedrich Kielmeyer Sezieren, wird Hauslehrer beim Grafen d'Héricy in der Normandie, wo er Pflanzen, Seevögel und Meerestiere untersucht. 

Hilaire, ein Professor für „Säugetiere, Cetaceen, Vögel, Reptilien und Fische“ beruft ihn ins Institut de France, 1800 wird er Professor. 

In Napoléons Auftrag reorganisiert er die akademischen Institute in Italien, den Niederlanden und Süddeutschland, 1804 heiratet er Witwe Davaucelle, die vier Kinder mitbringt und mit der er weitere vier Kinder hat. 
Georges Cuviers Namen steht unter hervorragenden Personen auf dem Eiffelturm. Intensiv beschäftigt sich Cuvier mit Mollusken, Anatomie und Einteilung der Fische, Fossilien, Reptilien und Säugetiere sowie der Osteologie rezenter Lebewesen.

Cuvier zufolge vernichten in der Erdgeschichte große Katastrophen wiederholt einen Großteil der Lebewesen und neues Leben entsteht aus den verbliebenen Arten.
Dogmatisch-theologische Thesen waren ihm ein Gräuel. Ein gerücht ist, Cuvier habe nach jeder Katastrophe eine Neuschöpfung durch Gott postuliert, ebenso wie die Unterstellung, dass er an biblische Vorstellungen über die Dauer der Erdgeschichte glaubte.





In dem phantastischen, als eine Art Welt­schatulle gedachten Magazin, dessen Insasse ein ausge­trocknetes, mehr als hundertjähriges Männchen ist, schreibt Sebald in seiner Annäherung an Bruce Chatwin, wer­den Rafael von Balzac die Schriften des Geologen Cuvier als die wahren Werke der Poesie empfohlen.


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